Liebe Schwestern und Brüder,
„Wer Menschen fischen will, der muss sein Herz an die Angel hängen“ – so sagt es der heilige Ordenspriester und Erzieher Don Bosco. Und er will damit sagen: Wer Menschen gewinnen will, wer in den Menschen Feuer entfachen will, wer sie begeistern möchte, der muss sie spüren lassen: Ich hab dich gern, ich mag dich, du bist mir wichtig. Und: ich will dir etwas ganz Gutes, etwas Kostbares, etwas Wertvolles schenken; etwas, was auch mein Herz berührt und was es erfüllt. Und sie selbst kennen das doch aus eigener Erfahrung: Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Fass Essig.
Deshalb: „Wer Menschen fischen will, der muss sein Herz an die Angel hängen.“
Und so einem Menschenfischer begegnen wir im Evangelium. Nicht Petrus, noch nicht, auch nicht Jakobus oder Johannes, noch nicht. Denn sie sind es ja, die etwas Großes erfahren, sie sind es, die in der Begegnung mit dem Menschenfischer Jesus von Nazareth etwas Einzigartiges erleben, sie sind es, die erstaunt und erschrocken sind – und die ihm folgen.
Halten wir uns eines vor Augen: Petrus, Johannes und Jakobus - sie leben vom Fischen. Fische sind ihr Lebensunterhalt, sind ihre Basis. Und da erfahren sie: Jesus gibt uns so viele Fische, dass unsere Netze übervoll sind. Das bedeutet ja: Wer diesem Jesus von Nazareth begegnet, wer sich auf ihn einlässt, wer sich ihm anvertraut, dem wird so viel geschenkt, dass er in Fülle hat. Jesus schenkt Leben, so viel Leben, dass es nicht zu fassen ist und – das letztlich nur von Gott gegeben werden kann. Ja, in diesem Evangelium strahlt göttliche Kraft: Jesu Kraft, seine Liebe zu uns Menschen und die Tatsache, dass er unser Leben will. Jesus Christus ist die Zusage Gottes an uns Menschen.
Deutlich begangen haben wir das vor zwei Tagen: am Freitag war es, da haben wir den Herz-Jesu-Freitag gefeiert.
Wir haben auf Jesus Christus geschaut, der am Kreuz hängt und in dieser Position deutlich macht, dass seine Liebe zu uns Menschen die Schmach des Kreuzes nicht gescheut hat. In dieser Position, angenagelt, verhöhnt, verachtet und geächtet sagt er: Du Mensch, du bist mir so wertvoll, dass ich für dich mein Leben hingebe – auch auf diese tragische Weise.
„Wer Menschen fischen will, der muss sein Herz an die Angel hängen.“ Jesus hat nicht nur sein Herz an die Angel gehängt. Nein, er hat sich selbst ganz und gar verschenkt.
Das ist die Botschaft, die uns jetzt zu Herzen gehen möge. Eine Botschaft, die unser Herz, unser Gemüt, unsre Seele anrühren möge. Und warum? Damit auch wir zu Menschen werden, zu Christen, die eine frohe, eine befreiende, eine erlösende Botschaft verkünden.
Oft macht es den Eindruck, als wäre die Lehre unserer Kirche nur auf Moral beschränkt. Als würde überall die Sünde lauern und wir als Christen müssten höllisch aufpassen, um nicht immer wieder in die Fallen zu tappen. Wenn wir nicht mehr zu verkünden haben als Moral, und das mit erhobenem Zeigefinger, dann gleichen wir doch denen, die ständig das Essigfass mit sich herumtragen.
Heiner Wilmer, der Ordensgeneral der Herz-Jesu-Priester- er schreibt in seinem Buch „Gott ist nicht nett“: „Im Zentrum der Botschaft Jesu stand keine Moral, sondern Erlösung durch die Kraft der Vergebung.“
Meine lieben Schwestern und Brüder, das ist eine befreiende und herausfordernde Botschaft zugleich. Denn je tiefer ich mir bewusst werde, was Erlösung durch die Kraft der Vergebung bedeutet, umso klarer kann ich lernen, mich selber zu sehen. Denn ich muss mich dann nicht mehr verstecken, muss keine Maske mehr tragen oder mich wie Adam und Eva hinter dem Busch verbergen, als Gott kommt. Nein, die Zeiten sind vorbei. Doch ich stelle mich dann auch meiner Wirklichkeit, und das kann schmerzhaft sein, aber auch heilsam. Und: Ich darf gewiss sein, dass Gott mich nicht verloren geben wird.
Er will mich ja, er hat mich ja ins Leben gerufen. Aber Leben, tief erfahrenes Leben, das bedeutet für uns als Christen immer auch, in der Gegenwart Gottes betrachtetes Leben.
Heißt immer auch die Finger in die Wunden meines christlichen Lebens legen: Heißt darum auch: Bitte um Vergebung für alles Versagen, Bitte um Vergebung für alle Schuld und Sünde. Heißt aber auch: Danke Herr, für das Schöne! Danke, Herr, für das Gelungene. Danke, dass ich immer wieder zu dir kommen darf und dass du mich aufrichtest, weil du keinen wegschickst, der um dein Erbarmen fleht.
Liebe Schwestern und Brüder, wir haben eine frohe und gute Botschaft von Gott, und die gilt es zu verkünden, hinauszutragen in die Welt, weiterzugeben in der Art und Weise, wie wir miteinander umgehen – gerade auch dann, wenn es schwierige Situationen gibt. Leben ist nicht immer einfach. Aber durch dieses unser Leben scheine die Botschaft Christi hindurch. Und ich bin überzeugt: In einer Welt, in der so viel Unsicherheit die Menschen ängstigt, die Zukunft sich für viele wie ein riesiger Berg auftürmt und sich so viele Fragen ergeben, auf die noch keine Antwort gefunden ist – gerade in dieser Zeit braucht es Menschen, die aufgrund ihres Glaubens das Lied der Hoffnung anstimmen, die ein Licht anzünden, statt die Dunkelheit zu verfluchen, die in einer von Krieg und Terror gebeutelten Welt zur Vergebung aufrufen und die von der Quelle erzählen, die ihr Leben nährt und stärkt und tröstet: Jesus Christus. Ja, es braucht Menschen, die ihr Herz an die Angel hängen und den anderen spüren lassen: du bist erwünscht, gewollt, geliebt.
Liebe Schwestern und Brüder, als Christen haben wir eine heilende Botschaft zu verkünden, die uns herausfordert zu wachsen und zu reifen. Dazu sind auch wir gerufen. Und das kann gelingen, wenn wir nicht müde werden, uns von Christus prägen zu lassen und den Worten Don Boscos zu folgen: „Wer Menschen fischen will, der muss sein Herz an die Angel hängen.“ Amen.

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