abt rhabanus bei der predigt CSC 0118Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt Augenblicke im Leben, die prägen sich so tief in unsere Herzen ein, dass wir sie nie wieder vergessen können. Und es sind durchaus nicht immer erfreuliche Augenblicke. Manchmal sind es Minuten, Stunden, Tage, gar Wochen, da wird unser Leben durchkreuzt. Da werden Hoffnungen zunichte gemacht, da bricht alle Lebensplanung wie ein Kartenhaus zusammen und so mancher Traum, der in die Zukunft reichte, der zerschellt und geht zugrunde.
Warum? – Warum bist du gegangen? Warum werden wir dich nie wieder sehen und in die Arme nehmen können? Warum werden wir nie mehr deine Stimme hören und mit dir lachen und weinen, mit dir das Leben teilen, die Freude und den Schmerz, das Licht und den Schatten? Warum?
Diese Frage haben sich, liebe Schwestern und Brüder, schon unzählige Menschen gestellt. Gewiss auch die Eltern und Geschwister, die Angehörigen und Freunde, die Klassenkameraden und Arbeitskolleginnen der Menschen, die letzte Woche bei der Flugzeugkatastrophe so sinnlos aus dem Leben gerissen wurden.
Warum all das Leid? Warum all der Schmerz? Vor einigen Tagen, vor vielen Jahrhunderten und Jahrtausenden und gegenwärtig?
Diese Fragen begleiten uns immer wieder und wir suchen nach einer Antwort und müssen uns doch eingestehen, dass es nicht auf alles eine Antwort geben wird. So manche Frage in unserem Leben, die wir gerne beantwortet hätten – sie bleibt unbeantwortet und hinterlässt in uns eine Wunde, irgendwann einmal eine Narbe und erinnert immer wieder an das Unbegreifliche und Schwere.
Ja, es gibt Situationen, es gibt Augenblicke, Stunden und Tage, die stellen das Leben auf den Kopf und was morgens noch lebensfrisch und blühend war – am Abend kann es ganz anders sein, total verändert, weil ein tragisches Ereignis das Leben total umgekrempelt hat.
Liebe Schwestern und Brüder, der Karfreitag, an dem wir das Leiden Jesu Christi betrachten und bedenken, welchen schweren Weg er gegangen ist – dieser Tag gibt uns die Zeit, innezuhalten, gibt uns die Chance nach innen zu gehen, zu lauschen und zu hören, wie es um mich selber steht – im Blick auf das Kreuz des Herrn, auf ihn, der seine Wunden nicht vor uns verbirgt. Er hat vieles erduldet: die Geißelung, Spott und Hohn, den schweren Weg nach Golgotha und schließlich die Kreuzigung. Er hat sich nicht geschont oder göttliche Macht ausgespielt. Nein, er ist für uns in den Schmerz gegangen, ist hineingegangen in den oft so blutigen Ernst dieser Welt. Wollte mit uns nicht nur das Licht und die Freude teilen, sondern auch alle Drangsal und Not und schließlich auch die Ohnmacht bis hin zu dem bitteren Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Warum?
Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir in dieser Stunde auf Jesus Christus schauen und seines Leidens gedenken, dann dürfen wir offen und ehrlich sein und uns selber fragen: Ist nicht so manches auch in unserem Leben schon durchkreuzt worden? Haben wir nicht alle auf je eigene Weise schon so manches Kreuz getragen? So manche Ohnmacht erlebt? Haben wir nicht alle schon so manche Hoffnung zu Grabe getragen?
Wir alle wissen um unser je eigenes Kreuz. Wir alle haben auf unserem Lebensweg Wunden davon getragen und auf die eine oder andere Frage nach dem „Warum?“ keine Antwort bekommen.
Gewiss, das kann sehr weh tun. Aber wir müssen unsere Wunden und Narben nicht verstecken und verbergen, auch wenn in unserer Gesellschaft vielfach nur der zählt, der es versteht stark aufzutreten.
Nein, der heutige Nachmittag ist die Ermutigung an uns alle, mit dem Kreuz unseres Lebens, mit den Wunden und Schmerzen unseres Lebens zu Christus zu kommen, unser Kreuz und Leid mit seinem zu verbinden. Tun wir das nachher bei der Kreuzverehrung.
Gehen wir zu ihm hin und bringen wir das zu ihm, was uns bedrückt und was uns schmerzt verbinden wir uns in dieser Stunde mit dem Schmerzensmann am Kreuz.
Liebe Schwestern und Brüder, der Karfreitag, das ist ein Tag, der uns mit einer Wirklichkeit konfrontiert, vor der wir nicht die Augen verschließen dürfen: die Realität menschlicher Grausamkeit. Es ist dies ein Tag, der uns mit unserem eigenen Leiden und unserer eigenen Not in Berührung bringt. Und es ist der Tag, aus dem trotz aller Nacht und Finsternis, Licht hervorgehen wird, Erlösung, Heil und Rettung.
Diese Hoffnung scheint auch durch folgendes Gedicht (Roland Breitenbach / Stefan Philipps):
„Sei gesegnet mit dem Kreuz,
das deinen Tod durchkreuzt
und dir Leben schenkt.
Sei gesegnet mit dem Kreuz,
das alle Zweifel durchkreuzt
und dir Hoffnung gibt.
Sei gesegnet mit dem Kreuz,
das deinen Schuldschein durchkreuzt
und dir Zukunft verheißt.“ Amen

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