Liebe Schwestern und Brüder,
Es ist schon ganz lange her, gewiss viele Jahre. Da habe ich mir ein Wort von Pater Raphael Hombach, einem Benediktiner aus der Abtei Maria Laach aufgeschrieben. Dieses Wort ist an Mönche gerichtet. Wenn ich diese Worte jedoch lese und sie bedenke, dann glaube ich sagen zu dürfen: Diese Worte stehen für jeden Christen und das bringt der Text letztendlich auch zum Ausdruck. Ja, diese Worte stehen für uns alle. Hören sie einmal genau hin und lassen sie den Text in ihr Herz fallen. Da sagt der Benediktiner:
„Mönch! Ob sie wollen oder nicht, einmal – wenn sie sterben – müssen sie alle dort stehen, wo du immer –während du lebst –stehen sollst, ganz allein an der Grenze.
Mönch! Ob sie wollen oder nicht, einmal – wenn sie sterben – müssen sie alle so sein, wie du immer – während du lebst – sein sollst, ganz allein, Aug in Auge mit Gott.“
Allein an der Grenze stehen, Aug in Auge mit Gott sein. Das sitzt, ja das trifft uns alle, früher oder später wird es diese Grenze geben, wird es dieses Aug in Auge mit Gott geben. Aber mal ehrlich - das ist nicht das, was uns der Alltag lehrt. Das ist nicht das, was uns die Welt lehrt. Sie gaukelt uns etwas anderes vor, erklärt alles andere für erstrebenswert. In ihr, dieser aufgepeitschen und wirren Welt, die geradezu Kopf steht; einer Welt, in der Frieden und Gerechtigkeit geopfert werden, damit der Mamon stimmt, auch wenn Menschen mit ihrem Leben dafür zahlen müssen. Eine Welt, die außer sich ist und ihre eigenen Maßstäbe hervorgebracht hat - diese Welt hat nicht nur das Gespür für die Grenze zum Ewigen hin verloren, sie ist – und das ist das Tragische unserer Zeit – sie ist auch zu einem großen Teil blind geworden für den, mit dem sie Aug in Auge sein soll!
Liebe Schwestern und Brüder, fragen wir uns doch einmal: Wo stehe ich als Christ im Strudel der Zeit? Wo ist dein Platz? Mit wem bist du Aug in Auge? Worum geht es in deinem Leben? Was bewegt dich? Was treibt dich um? Was erfüllt oder was vermüllt dein Herz?
Angesichts des heutigen Evangeliums kommen wir nicht an diesen Fragen vorbei. Auch wir Christen stehen in Gefahr, in den Tag hinein zu leben. Es uns wohl gehen zu lassen und taub zu werden für den Schrei aus tiefster Not. Auch wir stehen in der Gefahr, dass uns viele Wünsche besetzen, dass uns Wohlstand und die Lust nach mehr gleichsam gefangen nehmen und uns unsere Verantwortung vergessen lassen. Und eben da hinein spricht das Evangelium klare Worte; malt uns der Evangelist Lukas das Bild eines Menschen, der reich war, der „herrlich und in Freuden lebte“ – aber taub für Gottes Wort und Auftrag.
Dieses Evangelium mit seiner ganzen Dramatik lässt mich innehalten. Ja, liebe Schwestern und Brüder, ich möchte sagen: Dieses Evangelium bremst mich aus. Es fällt in meinen Alltag und ruft zunächst einmal: Stopp! Halt! - Aber nicht nur das. Es ruft auch in mir etwas wach. Es weckt in mir Worte, die mir wohlbekannt sind, Worte, die auch sie kennen, die sie schon oft gehört haben und die wir im Trubel des Lebens oft vergessen und die doch so wichtig sind. Ja, sie sind es wert bedacht und betrachtet zu werden, auch wenn sie uns vielleicht nicht angenehm in unseren Ohren klingen. Sie erinnern sich: „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“ Und: „Von der Erde bist du genommen, und zur Erde kehrst du zurück. Der Herr aber wird dich auferwecken.“
Der Aschermittwoch und der Beerdigungsritus verweisen uns unmissverständlich auf unsere Wirklichkeit. Sie führen uns vor Augen, dass wir Sterbliche sind, vergängliche Menschen: Staub und Lehm. - Und das hat Konsequenzen. Für uns als gläubige Menschen hat das Konsequenzen. Wir werden nichts mitnehmen. Das Totenhemd hat keine Taschen. Das gilt es zu bedenken und an die zu denken, denen es nicht gut geht. Die im Blick zu haben, die wie der arme Lazarus gerne von dem etwas nehmen würden, was bei uns weggeworfen wird.
Ich frage mich in diesem Zusammenhang: Sind wir überhaupt dankbare Menschen? Sind wir dankbar für das tägliche Brot, das wir haben? Für die medizinische Versorgung? Für den Frieden seit über 70 Jahren? Für die Freizeit, die wir gestalten können? Sind wir dankbare Menschen? Wie sehr ich uns das wünsche! Und noch etwas: Sind wir bereit zu teilen? Oder sind auch wir blind? Blind und unachtsam wie der Reiche im Evangelium? Oder machen wir die Augen zu, stehlen uns aus unserer christlichen Verantwortung?
„Mönch! Ob sie wollen oder nicht, einmal – wenn sie sterben – müssen sie alle dort stehen, wo du immer –während du lebst –stehen sollst, ganz allein an der Grenze.
Mönch! Ob sie wollen oder nicht, einmal – wenn sie sterben – müssen sie alle so sein, wie du immer – während du lebst – sein sollst, ganz allein, Aug in Auge mit Gott.“
An der Grenze stehen - Sich bewusst machen, dass das Diesseits Vorübergang ist. Einübung in die Ewigkeit, die – bildlich gesprochen – jenseits der Grenze liegt. Und immer wieder Aug in Auge mit dem sein, der ewiges Leben schenkt, der Auferstehung verheißt, ewiges Leben.
Was hat in unserem Leben Priorität? Wofür lebst du? Wem lebst du? Wem gehört dein Leben?
Das heutige Evangelium fordert uns radikal heraus, unser Leben zu bedenken, unsere Herzenshaltung und die Richtung, in die wir gehen.
Eines wissen wir wohl alle – Erfüllung, und zwar eine Erfüllung die mehr ist als das menschlich Machbare, die kann nur von Gott kommen. Sei ER, der dreifaltige Gott, der Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens. Amen.