Liebe Mitbrüder, Freunde und Wohltäter!

Wunderheiler hat es in Tanzania immer gegeben. Aber nach Arnold Kiel, einem Pfarrer in Ruhestand, erregte noch nie eine Einzelperson so viel Aufsehen wie Ambilikile Mwasapile, bekannt unter dem Namen „Babu Kikombe“ (Kikombe: Tasse auf Suaheli), weil er seine Behandlung mit einer Tasse Tee aus den Wurzeln des Busches Mugariga durchführte. Mund zu Mund Propaganda, zusammen mit den modernen Kommunikationsmitteln, verbreiteten seit Anfang 2011 seinen Ruf wie ein Buschfeuer im ganzen Land. Mwasapile, 1935 geboren, lebt in Samunge bei Lolilondo am Rand der Serengeti. Hunderttausende aus ganz Tanzania kamen zu ihm und viele sogar aus dem Ausland, auch Nelson Mandela – mit Privatwagen und Taxis, Bussen und Flugzeugen und bildeten Schlangen bis zu 50 km.
Und was tat Babu Kikombe? Er reichte eine Tasse Tee mit einem Gebet, nur von ihm, nur dort und nur einmal. Viele bezeugten Besserung und Heilung von Krebsleiden, Zuckerkrankheiten, Bluthochdruck, Asthma und sogar von AIDS. Die Unbedenklichkeit dieser Dosierung und die Wirkung bestimmter Pflanzenstoffe wurde von dem Institut traditioneller Medizin der Muhimbili Universität Dar es Salaam bestätigt. Die Nachuntersuchungen zeigten aber dann, dass der Tee keinerlei Wirkung hat. Die Leute sagten, dass Mwasapile bescheiden bleibt und nie mehr als 500 Schilling (5o Cent) nimmt. „Gott hat es mir mehrfach im Traum offenbart, und darum wirke ich in seinem Namen“, sagt er.


Und wie steht es heute?  Die Tanzania - Informationen 12/12 fassten die wenigen Nachrichten knapp zusammen: 2011 kamen etwa 6 Millionen Besucher. Danach ebbte der Strom merklich ab. Im Mai 2012 wartet in Loliondo ein 20-köpfiges Team in einem großen neuen Gebäude, aber nur wenige Menschen erscheinen noch – etwa 10 pro Tag. Im November machte die Ankündigung eines weiteren Wunders die Runde. Seitdem ist es ruhig geworden um den „Wunderdoktor“.
Traditionelle Medizin leistet auch heute noch in Tanzania, wie Elisabeth Steinle-Paul, Frauenärztin in einer Gemeinschaftspraxis in Stuttgart, schreibt, einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge. Häufig ist sie für die Leute auf dem Land oft der einzige Zugang zu medizinischer Hilfe, weil ein Krankenhaus oft weit weg ist. So gibt es z.B. in der Tanga-Region auf 33.000 Einwohner nur einen ausgebildeten Arzt, aber einen traditionellen Heiler für 146 Einwohner in ländlichen und 343 Einwohner in städtischen Gebieten. Aus ökonomischen und kulturellen Gründen wird deren Hilfe vor allem von der armen ländlichen Bevölkerung in Anspruch genommen. Traditionelle Medizin wird definiert als „Kombination von Wissen und Praxis, benutzt zur Diagnose, zur Verhütung oder Behandlung von körperlichen, seelischen oder sozialen Krankheiten, ausschließlich basierend auf überlieferter Erfahrung und Beobachtung, schriftlich oder mündlich weitergegeben von einer Generation zur nächsten!“


Die traditionelle Medizin umfasst ein weites Spektrum von magisch geprägten bis zu fundierten pfanzen-medizinischen Methoden, wobei es immer auch Übergänge und Vermischungen gibt. Das Entstehen von Krankheiten und Heilung wird insgesamt meist noch in einem starken kulturellen, religiösen und sozialen Kontext gesehen. Spielt bei uns das kausale Denken bezüglich krankheitserregender Stoffe wie Viren, Bakterien oder Schadstoffen eine entscheidende Rolle, so wird die Krankheitsauslösung in Tanzania sehr viel stärker im sozialen Zusammenhang angenommen. Heilung des einzelnen Menschen  ist damit auch mit der Lösung sozialer Konflikte verknüpft. Aber auch umgekehrt: Krankheit hat ihre Ursache z.B. in Neid und Missgunst, in Fehlverhalten und Streit, Heilung bedingt somit das Aufspüren und Benennen des Konflikts. Es können aber auch Menschen mit einem bösen Omen belegt und dadurch krank werden. Witchcraft ist ein starkes Mittel, noch heute wirksam und häufig praktiziert, auch wenn die Regierung dagegen einzuschreiten versucht.
In Tanzania wachsen über 12.000 Pflanzenarten, rund ein Viertel davon besitzt medizinische Wirkung. Ein bekanntes Beispiel ist der Neembaum, auf Kisuaheli  „Arobaini“, der Vierziger, genannt, weil er für über 40 Krankheiten und Beschwerden Hilfe und Linderung bietet. Seit man mit modernen chemischen Methoden die Wirkstoffe isolieren und stimmen kann, zeigt auch die pharmazeutisches Industrie großes Interesse an der Erforschung und Anwendung.


Warum gibt es oft keinen Arzt in Tanzania? Nach Jana James, Koordinatorin bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit,  ist der Gang zu einem Krankenhaus für den durchschnittlichen Tanzanier oft beschwerlich und manchmal mit hohen Kosten verbunden. In ländlichen Gebieten kann es oft Stunden dauern, bis man zu einem staatlichen Hospital kommt. PatientInnen müssen oft lange ausharren, bis sie zum Anfang der Warteschlange vorgedrungen sind. Die Kranken werden dann häufig von unzureichend qualifizierten Personal behandelt. Außerdem fehlt es oft an technischer Ausrüstung, oder die MitarbeiterInnen sind nicht ausreichend geschult. Weiteres Manko ist die schlechte Ausstattung der Hospitäler und Krankenhäuser mit Medikamenten.
Der Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Tanzania steht ein zentrales Problem im Weg: der Mangel an qualifiziertem Personal. Derzeit ist mehr als die Hälfte der benötigten Stellen gar nicht oder nur unterqualifiziert besetzt. In abgelegenen Teilen des Landes ist der Mangel geradezu verheerend.


Eine Studie aus dem Süden Tanzanias berichtet, dass in einigen staatlichen Einrichtungen weniger als 20% des erforderlichen Personals eingestellt ist. Die Arbeitsbelastung für Ärzte und Krankenschwestern ist insbesondere für kleinere Stationen sehr hoch.
Die Ursachen für diese Situation sind vielschichtig. Zum einen ist das tanzanische Gesundheitssystem chronisch unterfinanziert. Das hat Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung. Zum anderen werden selbst Fachkräfte unterbezahlt. Der Lohn kommt oft unregelmäßig, manchmal bleibt er sogar aus. Fehlende Ressourcen sind auch der Grund  für die unzulängliche Ausstattung der staatlichen Gesundheitseinrichtungen. Es ist daher gut verständlich, dass es viele ausgebildete Ärzte oder Krankenschwestern in andere Länder Afrikas oder Europas zieht, um dort effektiver zu arbeiten und besser zu verdienen.


In der Vergangenheit bis in die heutige Zeit herein war und ist der nichtstaatliche Sektor dem staatlichen um ein vielfaches voraus. Eine bessere und regelmäßige Bezahlung des Personals sowie vorausschauende Planung trugen und tragen dazu bei, dass die privaten und kirchlichen Krankenhäuser und Hospitäler auch in ländlichen Gebieten besser besetzt waren und sind. Nachdem die tansanische Regierung aber die Gehälter und Sozialleistungen aufgestockt hat, haben viele vom nichtstaatlichen zum staatlichen Sektor gewechselt. Das Tauziehen um geeignetes Personal  ist jedoch schädlich für eine angemessene und flächendeckende Gesundheitsversorgung. Des weiteren versucht die Regierung, den Mangel an geeignetem Personal durch Einstellung von minder qualifizierten MitarbeiterInnen auszugleichen. Diese Maßnahmen haben jedoch kaum Erfolg.


Zuerst heißt es, massiv und noch einmal massiv in den Gesundheitssektor zu investieren. Tanzania bleibt seit Jahren weit unter seiner öffentlichen Verpflichtung, mindestens 15% des Staatsbudgets dafür bereitzustellen. Das gilt auch für die gegenwärtige Regierung, die, so hat man den Eindruck, sich für alles andere mehr als für das Gesundheitssystem kümmert. Der Personalmangel im tansanischen Gesundheitswesen ist also kein unerklärliches Problem. Es liegt an der Regierung, entsprechend zu handeln, und an der Bevölkerung, solches Handeln einzufordern.


Mit herzlichen Segensgrüßen Ihr P. Stephan Raster OSB, Missionsprokurator

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