Liebe Mitbrüder, Freunde und Wohltäter!

Aus der Abtei Inkamana schreibt Abt Gottfried Sieber: „Unsere Klostergemeinschaft hat jetzt 40 Mitglieder. Die Zahl der deutschen Missionare ist durch Alter und Todesfälle bedingt in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Dafür hat die Zahl der einheimischen Berufe merklich zugenommen. 1980 gehörten zu unserem Kloster fünfzig Patres und Brüder aus Europa und nur zwei aus Afrika. Mittlerweile ist die Zahl der europäischen Missionare auf 13 zusammengeschrumpft (unter ihnen die Schweiklberger P. Prior Richard Multerer, P. Leopold Meier und P. Leo Eireiner), wovon bereits 12 über 70 Jahre alt sind. Mit insgesamt 27 Mönchen bilden die afrikanischen Mitbrüder jetzt eine deutliche Mehrheit in der Abtei Inkamana. Vor drei Monaten ist ein ehemaliger Mitbruder unserer Gemeinschaft, P. Heribert Ruf, im Alter von 98 Jahren in der Abtei Münsterschwarzach gestorben. 55 Jahre hatte er hier unermüdlich in der Seelsorge gearbeitet, bis er schließlich 2003 aus Alters- und Gesundheitsgründen in seine Heimatabtei zurückkehrte, wo er 1937 seine Gelübde abgelegt hatte und zehn Jahre später zum Priester geweiht worden war.

Unter all den vielen Aktivitäten unserer Abtei nimmt die „Inkamana High School“ einen besonderen Platz ein. Wie schon in all den vergangenen Jahren hat unsere Schule bei den Abiturprüfungen Ende letzten Jahres wieder hervorragende Ergebnisse erzielt. Alle 24 Abiturienten qualifizierten sich für ein Universitätsstudium. Das ist umso bemerkenswerter als in ganz Südafrika nur 68%  das Abitur bestanden und von diesen wiederum nur knapp ein Viertel die nötige Punktzahl für die Zulassung zu einer Universität erreichte. Es ist hier allgemein bekannt, dass es um das akademische Niveau der staatlichen Schulen Südafrikas nicht gut bestellt ist. Im internationalen Vergleich rangieren sie auf den letzten Plätzen. Das Welt-Wirtschaftsforum veröffentliche vor kurzem einen Bericht über die Qualität der Schulen in den einzelnen Ländern. Darin nimmt Südafrika unter 139 untersuchten Ländern Platz 130 ein, weit abgeschlagen hinter den meisten anderen afrikanischen Ländern. So erreichte Kenya Rang 32, Botswana Rang 48 und Malawi Rang 49. In den Fächern Mathematik und Physik rangiert Südafrika sogar auf dem drittletzten Platz. Ungenügend ausgebildete Lehrer, Mangel an Lehrkräften und an Unterrichtsmaterial sowie eine weit verbreitete Disziplinlosigkeit in den staatlichen Schulen sind für diese Misere verantwortlich. Im Gegensatz dazu haben private Schulen, darunter auch unsere Inkamana High School, einen sehr guten Ruf. Sie bieten, was man von einer guten Schule erwartet: Lehrer, die fachlich und pädagogisch kompetent sind und eine Unterrichtskultur, die die Schüler in jeder Beziehung fördert.

Ein Exerzitienkurs und ein Benediktinertreffen waren Anlass, dass ich in den letzten beiden Monaten zwei Mal eine größere Reise unternehmen musste. Im Februar erhielt ich ganz überraschend einen Brief von der Regionaloberin der „Schwestern von der seligen Mutter Theresa von Kalkutta“ mit der Bitte, für eine Gruppe von Schwestern einen achttägigen Exerzitienkurs zu halten. Dazu schickte die Oberin die von Mutter Theresa zusammengestellten Konstitutionen der Gemeinschaft. Beim Durchlesen fiel sofort auf, wie ernst es Mutter Theres meinte, als sie eine Gemeinschaft zum „Dienst an den Ärmsten der Armen“ gründete und von ihren Schwestern verlangte, dass sie sich in ihrem ganzen Lebensstil mit den Ärmsten der Armen identifizierten. Die Schwestern legen zu den üblichen Ordensgelübden (Gehorsam, Armut und Ehelosigkeit) noch zusätzlich das Gelübde des „geweihten Dienstes an den Ärmsten der Armen“ ab. Sie leben so anspruchslos wie sich das die „Normalbürger“ – und wohl auch die meisten Ordensleute – kaum vorstellen können. Sie haben z.B. in ihren Häusern keinen Anspruch auf ein Einzelzimmer, sondern schlafen jeweils in einem Schlafsaal. Die Regionaloberin macht da keine Ausnahme! Nur alle 10 Jahre stehen ihnen Ferien und ein Besuch im Elternhaus zu. Was das Essen betrifft, so verköstigen sie sich und die Menschen in ihrer Obhut mit dem, was sie selber im Garten und in der Landwirtschaft erzeugen oder was sie an milden Gaben bekommen. In ihren Häusern gibt es  weder Radio noch Fernsehen und auch keine Zeitung. Die Schwestern widmen sich ganz den Menschen, um die sich sonst niemand kümmert. In Afrika sind das vor allem AIDS-Kranke, Behinderte, alleinstehende alte Leute sowie Babies und Kinder, die von ihren Müttern verstossen wurden. In hochentwickelten Industrieländern sind es meist Menschen, die durch das sogenannte soziale Netz gefallen sind, die durch Alkohol und Drogen ihr Leben ruiniert haben und die Beamtenjargon als „asozial“ eingestuft werden. Ich habe bisher nur die Einrichtungen der Schwestern in Durban sowie in den beiden Häusern in Samibia gesehen. Dabei fiel mir besonders auf, wie ordentlich und peinlich sauber alles war. „Auf Sauberkeit legte Mutter Theresa größten Wert, Unordnung konnte sie überhaupt nicht leiden“, sagten die Schwestern.

Einen weiteren interessanten Brief bekam ich schon vor längerer Zeit aus Kasachstan, wo die Patres Joseph  Maria und  Matthias das kleine „Klösterchen“ betreuen, das von unseren Schweizer Mitbrüdern aus Uznach vor einigen Jahren auf Einladung des dortigen Bischofs gegründet wurde. Hier einige Auszüge: „Vier Monate sind schon verstrichen, seit wir unser Klösterchen in Osornoe winterdicht gemacht haben und zum Sprachstudium in die Stadt Kokschetau gezogen sind. Tamara, eine pensionierte Lehrerin, kommt jeden Vormittag zum Sprachunterricht zu uns. Wir beide merken beim Erlernen des Russischen, dass wir nicht mehr zwanzig sind und ein neues Wort unzählige Male hören müssen, bis es sich ins Gedächtnis einprägt. Aber unsere Sprachlehrerin ist sehr verständnisvoll und geduldig und spart nicht mit Komplimenten. Wir wohnen hier in der Stadt im Haus der „Gemeinschaft der Seligpreisungen“. Diese Gemeinschaft wurde von zwei Pastorenehepaaren, welche vor 38 Jahren in Frankreich zum katholischen Glauben konvertiert sind, gegründet. Bis heute besteht die Gemeinschaft aus Ehepaaren und Familien, aber auch aus zölibatär lebenden Mitgliedern. Hier in Kokschetau bestehen ideale Wohnverhältnisse: ein kleines Haus für die Familien, im mittleren Gebäude wohnen die drei „Ordensschwestern“, und im dritten Haus im Erdgeschoss befindet sich die Hauskapelle und unsere 3 Zimmer. Im Gästetrakt sind zur Zeit eine Medizinstudentin sowie Anatasia untergebracht. Letztere ist eine 19-jährige Frau, die vor einigen Monaten einen schweren Unfall erlitten hatte. Sie war mit ihrer Freundin auf einen offenen Güterwagen gestiegen, um schönere Photos machen zu können. Aus Unachtsamkeit kam sie zu nahe an die Hochspannungsleitung und ein 27 000 Volt (!) Schlag durchzuckte ihren Körper. Sie wurde sofort ins Krankenhaus gebracht, aber die Ärzte gaben ihr keine Überlebenschance mehr, da an ihr nur der Rücken und das rechte Bein von inneren und äusseren Verbrennungen verschont geblieben war. Gegen alle Erwartung ist sie nach einer Woche aus dem Koma aufgewacht. Ein junger kasachischer Arzt hat ihr beim Abschied gesagt: „Ich weiss nicht, zu welchem Gott Sie gebetet haben. Aber bedanken Sie sich bei Ihm, denn dass Sie noch am Leben sind und so schnell heimgehen können, ist ein Wunder!“ Bei den Schwestern hier verbringt sie ihren Genesungsurlaub. Im Sommer will Anastasia ihren Freund heiraten. – Ansonsten werden wir in Kokschetau von den Behörden sehr höflich behandelt. Kürzlich wurden die Priester und Ordensleute der verschiedenen Pfarreien von der Vorsteherin für „innere Angelegenheiten des Oblastes“ sogar zum Tee eingeladen und konnten mit ihr über aktuelle Probleme diskutieren. Da wir keine Daueraufenthaltbewilligung haben, müssen wir immer noch alle 6 Monate in die Schweiz  zurückfliegen und dort unser Visum erneuern“.


Gottes Segen und erholsame Sommerwochen wünscht Ihnen von ganzem Herzen
Ihr Schweiklberger Missionsprokurator P. Stephan Raster OSB

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