Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
sie haben es wohl schon einmal gehört: „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage, rühmet was heute der Höchste getan!“ Mit diesen Worten beginnt das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Und dieses Weihnachtsoratorium hebt geradezu majestätisch an: die Trompeten erstrahlen in einem unüberhörbaren Fortissimo, ebenso die Streicher und die Kesselpauken, die Orgel und nicht zuletzt die Sängerinnen und Sänger tun ihr eigenes dazu, damit eines klar wird: Weihnachten – das ist ein Fest, auf das mit aller Kraft, das mit aller Macht hinausposaunt werden muss. Denn hier ereignet sich etwas, was uns Menschen zutiefst betrifft und angeht, hier geschieht etwas, das nicht im Verborgenen bleiben darf, sondern kund gemacht werden muss.
Weihnachten, und darauf weisen die Kirchenväter immer wieder hin, Weihnachten das ist ein heiliges Ereignis, dessen Mitte und Zentrum dieses ist: Gott wird Mensch, damit wir Menschen Anteil an Gott bekommen. In der Menschwerdung seines Sohnes legt Gott den göttlichen Keim in unsere sterbliche Natur! Wir sind nicht mehr der Hinfälligkeit und Vergänglichkeit preisgegeben. Darum, liebe Schwestern und Brüder, dürfen wir unsere Häupter erheben, nicht stolz oder überheblich, sondern froh und von Hoffnung erfüllt, weil das göttliche Licht in unser Leben strahlt, weil das göttliche Licht zum Leben ruft und zum Leben ermutigt, weil das göttliche Licht auch in die Nacht unserer Sorgen und Ängste leuchtet, in die Nacht unserer Nöte und Plagen und Zuversicht und Trost schenkt und uns mit seinem Leuchten ermutigt und sagt: Mensch, gib die Hoffnung nicht auf. Richte dein Herz auf Gott aus, der dein Herr und Schöpfer ist und verankere dich in ihm, gerade dann, wenn die Wellen hochschlagen und das Boot des Lebens zu kentern droht.
Ja, liebe Schwestern und Brüder, die Heilige Nacht, ist eine Nacht der Hoffnung und der Zuversicht, weil Gott sich uns in unüberbietbarer Weise zuneigt.
Das möge uns zuversichtlich stimmen, damit nicht Angst und Sorgen überhand nehmen und uns erstarren lassen.
Gewiss, es gibt viele Gründe zur Sorge. Der Anschlag in Berlin liegt erst ein paar Tage zurück und vielen sitzt der Schock noch spürbar im Nacken. Und nicht wenige in unserem Land fragen sich: Womit müssen wir noch rechnen? Wird der Terror noch lange anhalten? Wann wird endlich Frieden sein?
Diese Nacht der Menschheit, in der Krieg und Terror das Leben so vieler bedrohen und vernichten und so vieles zerstören – diese Nacht der Menschheit weckt aber auch in vielen Herzen die Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit, weckt die Hoffnung, dass das Licht und nicht die Nacht den Sieg davon trägt.
Und diese Hoffnung ist nicht unberechtigt. Es war heute Abend sogar schon davon die Rede. Im Buch Jesaja gibt es diesen hoffnungsvollen Text, den wir in der dritten Nokturn gehört haben, wo es heißt: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“
Jesaja, der Prophet Gottes, der um 730 vor Christus lebte, er sieht in seiner Zeit das verwüstete und zerstörte Land, er sieht die verängstigten Menschen und er spricht ihnen zu Herzen, er verheißt ihnen eine neue Zukunft, in der es Gerechtigkeit, Frieden und Freude gibt. Garant dieser Zukunft ist das königliche Kind.
Und diese Hoffnung verstärkt der Evangelist Lukas in der Frohbotschaft der Heiligen Nacht. Engel verkünden die Gottesgeburt und Hirten sind es, die diese Frohe Botschaft vernehmen und zum Kind hineilen. Und da wird uns eines deutlich: Gott hat den ersten Schritt getan; er ist zu uns gekommen in seinem Sohn.
Die Frage der heiligen Nacht ist diese: Werden wir ihn einlassen? Wird Jesus Christus auch in mir geboren werden können? Und: Gebe ich ihm die Möglichkeit, mich zu prägen und zu formen, damit ich ihm ähnlich werde?
Das ist die große Frage, die auf eine Antwortet wartet. Und davon hängt nicht wenig ab. Wir alle miteinander sind gefordert, sind gefragt!
Machen wir ernst mit diesem Fest? Oder ist es die jährliche Routine: Wir feiern Weihnachten, weil es eben dran ist! Lassen wir uns wirklich auf Jesus Christus ein, auf seine Botschaft?
Das Fest, das wir heute feiern, ist göttlichen Ursprungs, und es geht darum, dass wir uns von der Botschaft Jesu Christi anstecken lassen, dass sein Licht in uns brennt und er durch uns hindurchleuchten kann. Das ist die Chance, dem Frieden und der Gerechtigkeit den Weg zu bereiten. Dazu gehört, dass wir einander in Ehrfurcht begegnen, dass wir gerade die nicht vergessen, die auf der Schattenseite des Lebens geboren sind, dass wir gütig und wohlwollend miteinander umgehen.
Weihnachten ist und bleibt Herausforderung – gerade wenn uns der Alltag wieder einholt, dann muss sich dieses Fest bewähren.
Und darum wünsche ich uns den Segen des göttlichen Kindes. Ich wünsche uns den Mut zum Neuanfang, zur Umkehr und Heimkehr zu Gott, wenn wir auf Irrwege geraten sind. Ich wünsche uns, dass wir uns zutrauen mit unseren Begabungen und Fähigkeiten am Aufbau des Reiches Gottes mitzuwirken und in der Liebe zu Gott und zu unseren Nächsten und zu uns selber zu wachsen.
Unser Leben, liebe Schwestern und Brüder, unser Leben sei eine Botschaft, die auf Gott hinweist - eine Botschaft, die froh macht und Erfüllung schenkt, eine Botschaft, die andere ansteckt und die uns heute aus ganzem Herzen singen lässt: „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage. Rühmet, was heute der Höchste getan.“ Amen.