Liebe Schwestern und Brüder,
von Mutter Theresa wird folgendes berichtet: “Sie war gerade dabei, die Wunden eines Kranken zu reinigen, man hatte ihn auf den Strassen Kalkuttas aufgelesen, da sagte ihr ein Journalist, der bei ihr stand: „Das würde ich nicht für Millionen Dollars machen. Da schaute ihm Mutter Theresa in die Augen und sagte zu ihm: „Ich auch nicht!“
Mutter Theresa macht dem Journalisten damit deutlich: Es gibt Taten, die werden nicht um des Geldes willen getan und vollzogen. Es gibt Taten, die versprechen keine Rendite, die erzielen keinen materiellen Gewinn und sind keine Garantie, einmal im Testament als Erbe verzeichnet zu werden. Es gibt Taten, die haben ihre Wurzeln in der Liebe zu Gott und in der Liebe zu den Menschen. Und diese Liebe macht dienstbereit, macht dienstfähig und scheut sich nicht davor, sich zu bücken und mit dem Schmutz der Strasse und mit dem Leid, mit der Not und mit der Armseligkeit des Menschen in Berührung zu kommen.
Viele Beispiele wären zu nennen. Frauen und Männer, Christinnen und Christen, die sich im Laufe ihres Lebens gebückt haben, geliebt haben und darum in sich die Bereitschaft trugen, anderen zu dienen.
Alle diese Gestalten unserer Kirchengeschichte finden ihren Urgrund, finden ihr Vorbild im Geschehen des Abendmahlsaales. Jesus bindet sich die Schürze um, er bückt sich, macht sich klein und krumm und vollzieht den Dienst der Fußwaschung, wäscht seinen Jüngern die Füße. Das muss man sich einmal vorstellen, was hier geschieht. Das ist nicht nur ein schöner Ritus, den wir heute Abend auch nachvollziehen werden. Nein, in dieser Geste spiegelt sich etwas Gewaltiges: Gott bückt sich, Gott vollzieht einen Sklavendienst, Gott nimmt die zerschundenen Füße in die Hand und säubert sie vom Schmutz und er ruft uns in dieser Geste gleichsam zu: Mensch, ich will dir ganz nahe kommen und ich scheue mich nicht vor dem, was dich ausmacht. Ich nehme dich an – mit allem, was zu dir gehört: auch mit dem Schmutz deiner Füße, auch mit den Wunden an deinen Füßen. Dein Schmutz und deine Wunden – sie erschrecken mich nicht. Dein Versagen und Deine Sünde – sie erschrecken mich nicht. Denn ich kenne dich, dein Name ist in meinem Herzen verzeichnet: Mensch, ich will Dein Heil. So offenbart sich Gott in dieser Stunde. Und wenn wir uns Jesus vorstellen – mit der Schürze umgeben, er, der Gottessohn, der Hohepriester schlechthin – dann sagt er uns noch etwas, gerade uns Priestern, die wir heute Abend auch die Einsetzung des Priestertums begehen: Stola und Messgewand haben ihren eigenen Wert. Aber das wichtigste Kleidungsstück des Priesters ist die Schürze als Ausdruck der Dienstbereitschaft und als Ausdruck der Bereitschaft, in der Gesinnung Jesu Christi zu wachsen und zu reifen. Bewahren wir uns das im Herzen. Und ich glaube, wenn wir uns dazu bekennen, sind wir mit Papst Franziskus auf einem guten Weg.
Schon vor über 20 Jahres sagte der damalige Bischof von Evreux in Frankreich, Jacques Gaillot: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“
Und diese Gesinnung, meine lieben Schwestern und Brüder, - sollen nicht wir alle miteinander diese Gesinnung im Herzen tragen? Dazu werden wir im Brief an die Philipper vom heiligen Paulus ermuntert, wenn er sagt: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.“
Das aber ist noch nicht alles. Wir denken in dieser Stunde an den Herrn, wie er mit seinen Jüngern das Brot bricht und wie er ihnen den Kelch reicht: „Das ist mein Leib.“ „Das ist mein Blut.“ Die Einsetzung des Altarsakramentes - Ausdruck der Hingabe - Ausdruck seiner Hingabe für uns Menschen - Ausdruck seiner Liebe.
Sind wir uns bewusst, was sich in dieser Stunde vollzieht? Sind wir uns bewusst, wie sehr sich unser Gott und Heiland verausgabt – für uns? Bis ins Letzte gibt er sich: Leib und Blut – sein Leben. Ehrlich gesagt: Davon kann ich mich immer wieder nur ergreifen lassen. Es übersteigt mein Fassungsvermögen.
Aber das, was wir empfangen – heute Abend und in jeder Eucharistiefeier, ist immer Ausdruck der Liebe Jesu Christi zu dir und zu mir. Er nimmt nicht nur die Füße in die Hand. In den heiligen Gaben vereinigt er sich mit uns.
Geheimnis des Glaubens! Welche Kraft, welche Hoffnung und Zuversicht daraus erwächst – das erschließt sich dem, der sich ganz in die Hände des Herrn begibt, der ganz in der Gesinnung des Herrn lebt.
Und da können wir nicht nur bei frommen Worten stehen bleiben. Die Orthodoxie, die Rechtgläubigkeit, muss sich immer in der Orthopraxie bewähren, im rechten Handeln.
Und da wünsche ich uns allen Mut und Kreativität, ich wünsche uns, dass wir unsere Begabungen und Talente nicht vergraben, sondern sie nützen für den Aufbau des Reiches Gottes, dass er durch uns hindurchleuchtet, dass im Umgang mit uns spürbar wird: Die haben die Schürze aus dem Abendmahlsaal umgebunden. Die haben das rechte Wort und den guten Ton. Im Umgang mit den Christen spüre ich die mir eigene Würde.
Das ist Herausforderung, die wohl nicht immer leicht zu leben ist – gewiss. Das ist aber eine Herausforderung, die Erfüllung, Freude und inneres Glück bringt. Und das erfahren wir, wenn wir uns dem Menschen zuneigen, wenn wir uns bücken. Dann erfahren wir Gemeinschaft – gerade auch Gemeinschaft mit Gott. Wieso? Hören wir abschließend folgende Geschichte: Da kommt ein Schüler zu einem Rabbi und fragt: „Früher gab es Menschen, die Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen haben. Warum gibt es die heute nicht mehr?“ Darauf antwortet ihm der Rabbi: „Weil sich niemand mehr so tief bücken will.“ Amen.