998 dekan altmannsperger DSC 0065Hochwürdiger Vater Abt Rhabanus Petri, geschätzter Konvent der Missionsbenediktiner von Schweiklberg, verehrte Gäste aus Politik und Gesellschaft, liebe Schwestern und Brüder in Christus, dem Herrn!

Es ist noch nicht lange her, dass man bei dem Versuch, unsere Zeit zu etikettieren, gern vom Atomzeitalter sprach. Natürlich war damit zuerst an die gespenstische Vision einer atomaren Selbstzerstörung der Menschheit durch die modernen Waffensysteme gedacht. Das Wort vom Atomzeitalter scheint aber in anderer Hinsicht ebenso zutreffend. Denn als Atome bezeichneten die Alten kleinste, nicht mehr teilbare Elemente der Welt und der Natur. Deshalb kann man im Blick auf unsere Zeit vielleicht von einer Atomisierung des Lebens sprechen. Das Leben und die Arbeit des Menschen zerfallen immer stärker in voneinander scheinbar getrennte Bereiche. Es gibt im technischen Bereich immer mehr Spezialisten; Wissenschaftler können nur noch einen kleinen Ausschnitt der Forschung überblicken. Und wir alle spüren, dass das Leben in zahlreiche nebeneinanderstehende Facetten zerfällt, die kaum etwas miteinander zu tun zu haben scheinen. Besonders gilt dies für das religiöse Leben. Nur selten gelingt es, die wirklichkeitsgestaltende Kraft von Glaube und Gebet zu erfahren. Werktag und Sonntag, Arbeit und Gottesdienst haben scheinbar nichts miteinander zu tun. Religion wird immer mehr in einen privaten Bereich verbannt und soll nur für bestimmte Situationen im Leben herhalten. In dieser Lage suchen viele Menschen nach einer neuen Einheit und Ganzheit. Vielleicht kann ein Blick zum Anfang unserer abendländischen, christlichen Kultur eine Hilfe sein. Diese Kultur ist entscheidend geprägt durch die Regel ihres Ordenspatrones, des heiligen Benedikt, dessen Heimgang wir heute feiern und dessen Name „der Gesegnete“ bedeutet und dessen Programm man in den schlichten Worten „ora et labora“, „bete und arbeite“, zusammenzufassen versucht hat. Als Papst Paul VI. am 17 Oktober 1964 das im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörte Kloster Monte Cassino wieder einweihen konnte, erklärte der Papst mit einem sicheren Gespür für die Nöte unserer Zeit den heiligen Benedikt zum Patron Europas und rief aus: „Sankt Benedikt, kehre zurück, uns zu helfen.“ Was dieses Programm so wertvoll für unsere Zeit und Welt macht, ist sein Blick auf das Ganze.

Dieser Blick auf das Ganze gelingt nur dann, wenn wir nach Gott fragen. Die Suche nach Gott soll nach Benedikt das christliche Leben prägen. Gott ist Grund und Ziel des ganzen Kosmos. Jeder einzelne Mensch trägt das Abbild des lebendigen Gottes in sich und besitzt so als Individuum eine unverwechselbare Würde. Zugleich aber sind wir durch ihn verbunden, der alles Sein umfängt, weil er der Schöpfer ist. Gott zu suchen lehrt der heilige Benedikt. Dies ist ein überaus anspruchsvolles Programm. Bedeutet es doch, dass wir uns an nichts endgültig festmachen, mit nichts zufriedengeben sollen als mit dem absoluten, unendlichen, ewigen Gott. Es ist eine gewisse Maßlosigkeit und Unersättlichkeit, die in keinem Wert, in keiner Beziehung, in keinem Besitz ihre Erfüllung findet. Zugleich ist dieses Programm von großer Bescheidenheit und maßvollem Blick auf unsere menschliche Begrenztheit geprägt. Denn Gott suchen heißt ja gerade, darum zu wissen, dass wir ihn nicht besitzen können, sondern in aller Demut auf ihn warten, nach ihm ausschauen und ihn suchen, der sich von den Menschen finden lassen will.

Solche Gottsuche führt nicht weg vom konkreten Leben. Sie ereignet sich nicht fernab des menschlichen Alltags, den wir Werktag, also Arbeitstag, nennen. Die Mönche haben ja gerade durch ihre Arbeit die abendländische Kultur entscheidend bestimmt. Der überschaubare Bereich meiner täglichen Pflichten wird zu jenem Ort, an dem ein Stück Gottsuche zum Ziel kommt. Hier setze ich meine Fähigkeiten ein, die mir Gott gegeben hat, und hier nehme ich an seinem Auftrag teil, die Welt zu gestalten. In der Arbeit, im Werktag den Ernstfall der Gottsuche zu sehen kann uns helfen, die schlimme Isolierung des einzelnen und die Atomisierung der Lebens- und Arbeitsbereiche zu überwinden. 

Wir begegnen heute gewissen Extremen: Einerseits wird das Arbeitstempo immer stärker, Arbeit wird zum Selbstzweck, zum Prestigemaßstab und Mittel, seinen Reichtum zu vermehren. Das Wort vom Workoholiker macht die Runde. Dem steht eine Flucht vor der Arbeit, eine Mentalität der Verweigerung und des Aussteigertums gegenüber. Im Blick auf Gott kann ein solcher Gegensatz, den wir heutzutage oft in unserer Gesellschaft antreffen, überwunden werden. Er lässt uns das menschliche Tun als Teilhabe am göttlichen Schöpfungswerk verstehen und verhindert zugleich, dass wir uns an unsere Arbeit verlieren und völlig von ihr beherrscht werden.

Der heilige Benedikt hat der Arbeit einen großen Stellenwert beigemessen. Die Arbeit ist Mittel zum Lebensunterhalt; sie ermöglicht solidarische Hilfe für die Schwachen, sie ist Mittel gegen die Traurigkeit der Zeit und fördert die Selbstverwirklichung. Die Arbeit steht aber in einem größeren Zusammenhang. Eben dies will das „ora et labora“, das „bete und arbeite“ zum Ausdruck bringen. Dem Gottesdienst nichts vorzuziehen ist ein Ratschlag Benendikts, der einen einseitigen Pragmatismus, eine Überbetonung des menschlichen Schaffens und eine Isolierung und Atomisierung der menschlichen Lebensbereiche verhindert. Dabei geht es nicht darum, der menschlichen Arbeitsleistung noch eine Gebetsleistung hinzuzufügen, sondern es geht um die „durchbetete Arbeit und um Arbeit als Gebet“.

Wenn wir heute vielfach in der Gefahr stehen, uns Hier und Jetzt zu verlieren, in Einzelfragen zu verzetteln oder auch in Illusionen zu versteigen, dann werden wir im Blick auf unsere Tradition auf jenen Weg verwiesen, der in der Verbindung von Alltag und Sonntag, von Gebet und Arbeit, von Teil und Ganzem das ermöglicht, was viele Benediktinermönche über den Eingang ihrer Klöster geschrieben haben: PAX – Friede.

Mögen Sie, liebe Brüder des Schweiklberger Konvents, aufgrund Ihrer unermüdlichen segensreichen Arbeit und Ihrem tiefen und gläubigen Gebet immer wieder diesen Frieden Gottes spüren und mögen alle Menschen, die Ihr Missionsbenediktinerkloster besuchen, diesen wunderbaren Ort, der gleichsam ein geistliches Zentrum unseres Dekantes Vilshofen ist, erfüllt werden von diesem göttlichen Frieden, damit sie im Blick auf das Ganze Gott unseren Herrn finden. Möge der heilige Benedikt, der Patron Europas, der bei seinem Tod heimgegangen ist zu Gott, dem Grund und Ziel unseres Kosmos´, uns helfen – neben aller Arbeit – im Gebet Gott immer mehr zu suchen, damit auch wir einmal eingehen können in Gottes ewige Herrlichkeit. Amen

Prediger: Dekan Christian Altmannsperger