Liebe Schwestern und Brüder,

Ostern beginnt nicht mit einen zarten Säuseln und auch nicht Pianissimo. Ganz im Gegenteil! Ostern -  und das haben wir im Evangelium gehört - Ostern beginnt mit einem gewaltigen Erdbeben.

Bei einem Erdbeben, da wird die Erde erschüttert, da gerät vieles ins Wanken  und was man so sicher glaubte, das bricht auseinander. Denn Erdbeben sind geballte Energie, sind Kraft und Ausdruck von Naturgewalt, dass wir oft nur benommen staunen können und nicht selten hilflos zusehen, wie diese Macht sich Bahn bricht und von keinem Menschen gezügelt werden kann. Bei solchen Katastrophen geht vieles in die Brüche – auch so manche Gewissheit! Z.B. die Gewissheit, dass alles erdbebensicher ist. Dass wir alles im Griff haben. Dass sich alles beherrschen lässt! Es passiert schon nichts.

Von wegen! So manches Erdbeben hat den Sicherheitsexperten alle Gewissheiten einstürzen lassen.  

Auch die Frauen, die uns im Evangelium begegnet sind – auch sie haben ihre Gewissheiten. Sie sind auf dem Weg zum Grab, es herrscht Friedhofsstimmung, sie wollen nach dem Grab sehen, ihrer Trauer Ausdruck verleihen, vielleicht noch einmal über alles sprechen, was sie mit Jesus erlebt haben. Sich vergewissern, dass er noch da ist, denn eine Gewissheit tragen sie in sich, und die lautet: „Wer tot ist, der ist tot. Gegen den Tod da ist kein Kraut gewachsen.“

Und jetzt frage ich Sie, liebe Schwestern und Brüder: Haben nicht auch Sie solche Gewissheiten, die sie durch ihr Leben begleiten? Da sagt vielleicht einer: Ach der – der ist doch ein hoffnungsloser Fall. Und die da – die lernt es doch nie. Und der da, der wird sich nie ändern. Der war so, der ist so und der bleibt so. Schluss! Aus! Vielleicht haben sie ja auch für sich persönlich die eine oder andere Gewissheit. Ich kann machen was ich will, ich bin halt mal so. Ich kann nicht aus meiner Haut heraus – und außerdem: mich mag eh keiner!

Ich bringe es zu nichts und das wird auch so bleiben! Kein Wunder, wenn man so aussieht wie ich! Vielleicht haben sie ja noch andere Gewissheiten über sich oder andere – felsenfest, unumstößlich, zementiert und gemauert! Schließlich war es schon immer so und darum soll es in Ewigkeit so bleiben.

„Plötzlich entstand ein gewaltiges Erdbeben.“ So kündigt sich Ostern an. Machtvoll rauschend, energiegeladen, kraftvoll. Und dieses Ostern stellt alles auf den Kopf. Mit einem Mal werden die Gewissheiten der Frauen erschüttert. Auf einmal zittern die bewaffneten Soldaten und die so standhaft schienen – die fallen zu Boden. Auch die Hohenpriester, die Schriftgelehrten, die Pharisäer und auch Pontius Pilatus – sie können nichts mehr tun. Im Verlauf dieses Ereignisses werden sie klein und unbedeutend. Und das geschieht immer dann, wenn Gott ins Spiel des Lebens eintritt. Dann schrumpfen die zusammen, die sich groß wähnten und die den Mund zu weit aufgerissen haben, die verstummen. Denn gegen die Macht und Kraft Gottes verlieren unsere Gewissheiten. Und was uns Menschen unmöglich ist – das bewirkt die Macht des Allmächtigen.

Die Schrift sagt es uns: „Ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.“

Der Stein, der alle Hoffnung der Frauen begraben hatte, ist weggewälzt. Und von dem, der tot war, sagt der Engel: Er lebt! Auch diese festeste Gewissheit ist mit einem Mal zusammengebrochen. Tot soll nicht mehr einfach tot sein.

Was sich hier abspielt, ist auch ein emotionales Erdbeben. Da geraten die Gefühle durcheinander. Karfreitag, Geißelung, Kreuzestod! Und mit einem Mal soll alles ganz anders sein. So schnell kann die Freude gar nicht mitkommen. Und ich kann die Frauen verstehen: Das erste, was sie fühlen, ist Furcht. Kann ich das denn glauben? Sie haben Angst vor der eigenen Hoffnung. Angst, dass alles eine Täuschung ist, ein Traum, ein Irrtum. Und doch, wenn´s einfach wahr wäre... Voller Furcht und voller Freude laufen sie von dem Grab weg. Eine Mischung aus „Das kann doch gar nicht sein!“ und „wenn es doch nur wahr ist!“ 

Und so werden die Frauen die ersten Botinnen der Auferstehung und das Unerhörte verbreitet sich.

Ostern, Auferstehung geschieht da, wo wir aus ganzem Herzen glauben und uns auf den Gott des Lebens einlassen, wo Gottes Erdbeben unsere alten, traurigen und negativen Gewissheiten erschüttern kann. Wo wir durch die Ruinen dieser bedrückenden Überzeugungen hindurch etwas Neues zu sehen wagen. Uns selbst neu zu sehen beginnen. Das Leben neu zu sehen beginnen. Wo wir mit Osteraugen Ausschau halten nach Gottes Fingerzeig in unserer Welt.

Und darum wünsche ich uns allen, dass diese Osternacht unser Herz verwandle, dass wir uns erschüttern lassen von Gottes Eingreifen in die Gewissheiten unseres Denkens und Handelns und dass wir eines im Blick behalten: Wir können nicht groß genug von unserem Gott denken. Und der ist ein Gott des Lebens, der Kraft und der Dynamik, der Lust und Freude hat an uns, seinen Geschöpfen. Und weil Gott ein Gott des Lebens ist, darum dürfen wir uns des Lebens freuen, dürfen in unseren Herzen das Licht dieses Morgens in die Welt tragen und die Freude zum Markenzeichen der Christen machen.   

Ostern –  „Das ist der Tag, den Gott gemacht!“ Und das ist der Tag, der uns aus der Angst des Todes in die Weite des Lebens führt.

Mit Ostern, meine lieben Schwestern und Brüder, ist manches ins Wanken geraten. Denn Ostern ist kein harmloses Frühlingsfest. Ostern ist das größte Erdbeben der Menschheitsgeschichte. Amen.