Liebe Schwestern und Brüder,
„wo man am meisten fühlt, weiß man am wenigsten zu sagen“ – so hat es die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff einmal in Worte gefasst und sie bringt damit zum Ausdruck: Es gibt Momente im Leben eines Menschen, es gibt Situationen und Augenblicke – da gelingt es kaum, das Gefühlte in Worte zu fassen. Da reichen Worte nicht aus. Da bin ich so angerührt und so betroffen, dass mich ein Wunder der Natur oder ein Musikstück, dass mich eine Geste oder der liebende Blick eines Menschen gleichsam umarmt, dass ich das Erlebte und Erfahrene kaum ins Wort fassen kann.
„Wo man am meisten fühlt, weiß man am wenigsten zu sagen“ – das setzt vor-aus, das mein Herz offen ist und dass ich mich anrühren lasse, dass ich mich treffen lasse von einem Ereignis, von einem Menschen und seinen Worten und Gesten.
Das gilt auch heute Abend. Heute Abend, meine lieben Schwestern und Brüder, nimmt uns Jesus mit auf seinen letzten Weg. Es ist kein leichter Weg, das wis-sen wir alle. Es ist ein Weg, der schmerzhaft wird für Seele und Leib; ja, ich kann es gar nicht anders sagen: dieser Weg, den Jesus heute Abend einschlägt, dieser Weg ist todsicher! Wir haben es ja schon gehört: „Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater zu hinüberzuge-hen.“ – Und wir sind dabei und gehen jetzt mit ihm in den Abendmahlssaal, offenen Geistes, mit wachem Verstand und einem hörendem Herzen. Denn auch uns will Jesus heute Abend berühren, damit wir tief in unserem Innern spüren und erkennen, was er für uns und all die Seinen getan hat, die er liebt.
Im Abendmahlssaal bricht er das Brot und reicht den Kelch. Er gibt Speise und Trank. Das brauchen wir alle, um leben zu können. Ohne Speise und Trank sterben wir, müssen verhungern und verdursten. Jesus Christus aber will Leben, will, dass wir leben.
Aber nicht nur an der Oberfläche, wo Spaß und Spiele das Leben bestimmen, wo es um Erfolg geht, um Macht und Materielles, was uns doch letztlich nicht die ersehnte  Erfüllung bringt. Der Herr will uns tiefer führen, hin zu unserem göttlichen Ursprung.
Darauf verweist uns immer wieder die Heilige Schrift, darauf  verweist uns die Feier der Eucharistie. Gerade heute Abend, wo uns sein Leib und sein Blut gereicht wird und Jesus uns spüren lässt: Du, ich bin bei dir, ich gehe mit dir, ich will dein Leben, da dürfen wir uns fragen: Was bedeutet das für mich? Für mein Leben? Was empfinde ich im Herzen, was fühle ich, wenn ich an Jesus denke, wenn ich mich in den Kreis seiner Jünger begebe, wenn er das Brot bricht und den Kelch reicht: Das ist mein Leib, das ist mein Blut. Was bewegen diese Worte in meinem Herzen? Was bedeuten sie für mein Leben?

Wenn ich an diese Szene im Abendmahlssaal denke, an die Vertrautheit innerhalb der Jünger und mit ihrem Meister, wenn ich mir die Atmosphäre vorstelle wie Jesus das Brot teilt und den Kelch reicht – mein Leib, mein Blut -
dann denke ich an ein Wort von Edith Stein, die gesagt hat: „Das Wesen der Liebe ist Hingabe.“
Und darum geht es an diesem Abend. Jesus gibt sich hin – in den Zeichen von Brot und Wein. Diese Hingabe unterstreicht er aber noch mit einer anderen Geste. Er bückt sich, er nimmt die staubigen Füße seiner Jünger in die Hand und reinigt sie. Er scheut sich nicht vor dem einfachen und schlichten Dienst, den man sonst nur Sklaven tun ließ. Er stellt damit alles auf den Kopf und sagt: Jetzt wisst ihr, wo euer Platz ist. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“
Die Feier der Eucharistie und der Empfang der heiligen Gaben haben zum Ziel: dass wir immer mehr eins werden mit Christus und dass wir aus seinem Geiste leben und handeln.
Gewiss ist dieser Weg eine Herausforderung. Aber der Herr ist bei uns -
verborgen in den Zeichen von Brot und Wein. Damit nährt er uns, damit führt er uns zusammen an einen Tisch und stärkt uns auf dem Weg durch diese Zeit. In ihm und durch ihn sind wir die Gemeinschaft der Glaubenden und er – Er ist unsere Mitte, die alles zusammenhält und IHN laßt uns im Auge behalten. Denn Christus – ER hält uns die Augen offen für das, was heute notwendig ist und wo wir als Christen gefragt und gefordert sind. Lassen wir uns von ihm berühren und bleiben wir auf seinem Weg – auch jetzt, in dieser Stunde, da er uns einlädt und mit uns das Brot bricht und uns den Kelch reicht. Amen.

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